Rémy Markowitsch
Aesopscans - Schlange , 97,5 x 132 cm



»...Es ist erstaunlich, wie künstlerisch die durchleuchteten Tierpräparate wirken. Die Halt gebenden Drähte sehen bei den Vögeln wie schwungvoll gezeichnete Schlaufen aus. Bei Schlange, Wolf, Fuchs und Krokodil folgt der Draht als Linie der Hauptform der Gestalt. Dank technischem Verfahren und selbstverständlich dank der Gestaltung durch den Präparator werden Tiere zu Produkten wie von Hand gezeichnet und gemalt. Diese beinahe idyllische, ästhetische Seite gehört zwar auch zu ÄsopScans, doch bricht Markowitsch sie mit einem in die Arbeit einbezogenen, permanent über einen Bildschirm ablaufenden Programm, das hundert Fleischgerichte zeigt. Sie stammen von illustrierten Karten mit internationalen Rezepten aus den 70er Jahren. Markowitsch ist so zufällig darauf gestossen wie auf die Dias, die er in seinen Arbeiten Kastanienallee 1994 und Oranienstrasse 1994 verwendet. Wie jene wurden auch sie im Digitalverfahren auf eine CD übertragen. Diese Technik mit ihrem `Zerschnetzeln` der Vorlage wird angesichts der Tierpräparate und der Fleischgerichte zur Analogie des Zergliederns von Tieren. Die Synthese zum erkennbaren Bild entspricht dann der Einheit eines mit Zutaten anreicherten Fleischgerichts. Das Tier selber ist zum nutzbaren Objekt ohne Eigenwert degradiert.

Die Auswahl der Gerichte zeigt ein breites Spektrum. Markowitsch hat auf Abfolgen von `Kapiteln` in Bildern geachtet, in denen sich das gekochte Fleisch mehr und mehr von der Gestalt des ehemaligen Tieres entfernt. Es beginnt mit ganzen Hühnern und Enten, gefolgt von gebratenem und eingelegtem Fleisch. Mit den Würsten am Schluss ist jedes Tier bis zur völligen Unkenntlichkeit zerstückelt. Das Fleisch ist auf Platten mit allerhand Zutaten angerichtet, insgesamt eine deftige und saucenreiche Kost, die auch von den Dekorationen her weder in die Zeit der Nouvelle Cuisine noch in die Kriegs- und Nachkriegszeit, sondern nur in die 70er Jahre passt. Die Gerichte mit ihren weitherum üblichen Fleischarten sind auf eine breite Schicht ausgerichtet. Es gibt weder Innereien noch Pferdefleisch. Das hat sich in der internationalen Küche bis heute kaum geändert. Massenkost bewegt sich immer noch in ähnlichem Rahmen, auch wenn sie mit südländischen oder asiatischen Zutaten Angereichert ist...«.


Maria Vogel: in Finger im Buch ,» Sprachliches«